Arbeit und Liebe vertragen sich gut, solange keine Kinder im Spiel sind. Abends nach einem anstrengenden Tag im Büro, in der Praxis oder on the road lässt es sich amüsant zu zweit über cholerische Chefs, pedantische Mitarbeiter und neurotische Kunden herziehen. Sie unterstützt ihn womöglich bei der Vorbereitung seiner nächsten Präsentation. Er erklärt ihr die Tücken männlicher Netzwerke. Beide feiern zusammen die nächste Beförderung, gönnen dem anderen sein Vorankommen und treffen sich bei Überstunden des Partners mit dem Kumpel oder der Freundin. Doch sobald aus einem Paar eine Familie wird, stehen Arbeit und Liebe häufig in Konkurrenz zueinander.
Plötzlich geht es um die Frage, wer wann und wie lange arbeiten „darf“ und wer sich wann und wieviel um die Kinder und natürlich das ganze Drumherum kümmert. Die Arbeit des anderen ist auf einmal nicht mehr bereicherndes Gesprächsthema sondern ein ständiger Streitfaktor.
Während einer Fortbildung unterhielt ich mich kürzlich angeregt mit einer jungen Frau, die sich nach einem Jahr Elternzeit wieder auf den beruflichen Wiedereinstieg freute. Die knapp 30jährige hat bereits zahlreiche Projekte in verschiedenen Technologieunternehmen erfolgreich gemanagt, ist hoch motiviert und bereit, in Vollzeit wieder loszulegen. Da es auch einen Vater gibt, interessierte mich sehr, wie die beiden das Thema Kinder und Karriere untereinander aushandeln. Ihr Mann arbeitet, sehr erfolgreich, in einer Unternehmensberatung, und ist viel unterwegs.
Die junge Frau erzählte mit leuchtenden Augen von ihrer Tochter und der intensiven Zeit mit ihr, die sie offensichtlich sehr genießt.
Doch ebenso deutlich war ihr das Verlangen anzumerken, im Beruf wieder mitzumischen. Sie bastelt gerne Laternen in Form von Einhörnern, aber zeigt den Ingenieuren eines Großprojektes auch gern wo es langgeht. Dass sie für beides genug Energie haben wird, daran ließ sie keinen Zweifel. Mit ihrem Arbeitgeber hatte sie einen Tag Homeoffice vereinbart und ausgehandelt, an zwei weiteren Tagen zu festen Zeiten gehen zu dürfen. Falls im Job kurzfristig intensiverer Einsatz nötig sein sollte, hatte sie eine flexible Babysitterin engagiert. „Von Montag bis Mittwoch hat das alles jetzt eine feste Struktur“, erzählte sie mir und lachte. „Donnerstag und Freitag sind noch offen.“ Diese beiden Tage überließ sie, mit charmanter Bestimmtheit, ihrem Mann. Donnerstag und Freitag möchte sie für ihren Arbeitgeber höchstflexibel bleiben.
Ihr Mann allerdings, und das scheint Potential für zukünftige eheliche Konflikte, ignoriert „seine“ Tage bisher komplett. Er hat weder Babysitter gecastet noch mit seinem Unternehmen über flexible Arbeitszeiten am Donnerstag und Freitag gesprochen. „Er ist es einfach nicht gewohnt, sich darum zu kümmern“, entschuldigte sie ihn. „Er geht davon aus, dass das schon alles irgendwie läuft. Das tut es ja normalerweise auch, aber nur, weil ich mich darum kümmere.“
Ein gewisser Ärger war ihr anzumerken. Aber sie bemühte sich schnell, diesen durch die Betonung seiner positiven Charaktereigenschaften zu besänftigen. Ihr Mann, so unterstrich die Projektmanagerin, sei auch wirklich ein toller Vater. Er widme sich ganz hinreißend der gemeinsamen Tochter - sobald er seinen 9 bis 12-Stunden-Tag hinter sich habe. In seiner Abteilung war er der erste, der Elternzeit beantragt habe, gegen großen Widerstand. Zwei Monate ließ er seine Karriere ruhen, damit die junge Familie zu dritt durch die Welt reisen konnte. Dass nicht mehr Vätermonate daraus wurden, damit sie früher hätte wieder einsteigen können, stand nie zur Debatte. „Er verdient einfach wesentlich mehr, das hätte finanziell überhaupt keinen Sinn gemacht.“
Meine Bekannte vermied es, die bestehende Ordnung in Frage zu stellen. Sie verdiente nicht schlecht. Aber das wesentlich höhere Gehalt ihres Mannes und das konservative Arbeitsklima in seinem Unternehmen stand als unumstößliches Argument im Raum, ihn wie bisher weitermachen zu lassen. Ihr wurden schließlich keine Steine in den Weg gelegt, lautete ein weiteres Argument. Denn auf ihre Bitte um flexible Arbeitszeiten hatte sich ihr Chef anstandslos eingelassen. Sie war schließlich jetzt eine Mutter. Sein Chef dagegen hatte bereits beim Thema Elternzeit die Nase gerümpft und nicht verstanden, warum er kürzer treten wollte. Es sei doch Zuhause für alles gesorgt.
Bei der Arbeit verschafft eine solche Einstellung vielleicht einen freien Kopf. Zuhause führt die „Passt-schon“-Philosophie nach und nach zu erbitterten Grabenkämpfen. Frauen decken zwar noch immer den Großteil der anfallenden häuslichen Arbeiten ab, auch wenn sie genauso viele Stunden bezahlter Arbeit nachgehen wie ihr Partner. Doch bereitwillig tun sie das längst nicht mehr. Selbst wenn genügend finanzielle Ressourcen für Babysitter, Nannies und anderes zur Verfügung stehen: irgendjemand muss sich kümmern, organisieren und sicherlich auch ab und an selbst vor Ort sein.
Wenn Frauen in die Elternzeit gehen, und in Deutschland pausieren nur sehr wenige Mütter kürzer als ein Jahr, ändert sich häufig ihre Einstellung zum beruflichen Vorankommen. Karriere als ein Wert an sich, die mit allen Mitteln verfolgt wird, erscheint zunehmend sinnentleert, das reine Streben nach Macht eindimensional. Nur sehr wenige sind bereit, große private Opfer zu bringen, um im Unternehmen weiter voranzukommen. Die Prioritäten verschieben sich. Das gilt natürlich auch für Väter. Auch sie machen sich mehr Gedanken über die Vereinbarkeit von Arbeit und Familienleben. Doch die meisten rackern trotzdem mehr als je zuvor. Sie fühlen sich massiv in die Versorger-Rolle gedrängt. Als Vater, so das gesellschaftliche und eigene Druckgebilde, müsse man erst recht Karriere machen.
Vielen Unternehmen ist die Mehrfachbelastung der Mütter bewusst. Sie räumen ihnen flexible Arbeitszeiten und Home Office ein. Doch bedeutet dieses sympathische Entgegenkommen noch nicht, dass sie Frauen deshalb auch ganz nach oben lassen. Auch Männern stehen natürlich all diese netten Unterstützungsleistungen zur Verfügung, grundsätzlich zumindest. Nur wissen sie ebenso wie ihre Frauen: Wer an die Macht will hat klare Prioritäten zu setzen. Das wird ihnen nur ein wenig deutlicher mitgeteilt.
Meine Bekannte, die bastel-affine Projektmanagerin, hat ehrgeizige berufliche Pläne. Gleichzeitig kennt sie ihre Grenzen und weiß, wie wichtig ihr ein harmonisches Privatleben ist. Dass ihr Mann so schnell großen Erfolg hat, findet sie durchaus sexy. Aber sie verlangt auch von ihm, ihrer Karriere Gültigkeit zu verschaffen, nicht nur durch verständnisvolle Gespräche bei einem Glas Wein am Abend, sondern durch echte Taten.