Wenn Freundschaft und Politik sich überhaupt nicht vertragen

 

 

Selten hat ein Thema die Deutschen in den vergangenen Jahren so gespalten wie der Flüchtlingszustrom aus Syrien. Zunächst zogen die Rechtsradikalen brandschatzend durch die Straßen. Dann erschienen in diversen sozialen Medien, je nach Freundeskreis mehr oder weniger zögerlich, erboste Kommentare über die Willkommens-Politik Merkels.    Bei gesellschaftlichen Zusammenkünften gleich welcher Art beschlich mich häufig das Gefühl, aus Versehen in einen AfD-Mob geraten zu sein. Und jedes mal war die Erwartungshaltung klar: Ich sollte miteinstimmen in das große Klagen gegen Willkommens-Klassen, Flüchtlingsunterkünfte und verschleierte Frauen im Supermarkt. Spätestens nach den Vorfällen der Silvesternacht in Köln könne ich doch nicht mehr ernsthaft an meinem Theme-song „Refugees welcome“ festhalten. Doch, oh weh, ich blieb und bleibe bei meiner Haltung.  Mit dem Resulat: Ich werde als verstockte relativistische 68er-in beschimpft,  und das, obwohl ich 1973 geboren und ganz eindeutig der Generation Golf zuzuordnen bin. Doch es folgten noch ganz andere unflätige Beschuldigungen, die mich das fürchten lernen sollten.

Ich versuche mich grundsätzlich dem politischen Meinungsbilds meines Gegenübers offen zu zeigen. Es gelingt mir momentan nur sehr selten. Bei meinem jüngsten und vermutlich letzten beruflichen Ausflug in die Springer-Medienwelt erwischte es mich bereits bei der ersten Redaktionskonferenz eiskalt.  Was rund um den Konferenztisch, bis auf wenige Ausnahmen, gebrabbelt wurde, hätte Herrn Höcke geifernd in die Luft springen lassen. Während meiner Fernsehwelt-Abstinenz hatten sich die rechtskonservativen Zellen beim Sender eindeutig radikalisiert. Die Zahl der Mitläufer war gestiegen.

Ich bin Journalistin und Autorin und verstehe es als Berufsethos, nicht nur möglichst objektiv zu berichten, sondern meine Meinung auch klar kenntlich zu machen.  Das muss kein Widerspruch sein, hat mir beruflich in der Regel allerdings mehr geschadet als genutzt. Aber ich kann und will nicht anders.  Und so halte ich es auch privat. In Sachen Politik, so meine Erfahrung der vergangenen Monate, verkümmern schnell jegliche freundschaftlichen Gefühle. Wie kann ich friedlich mit jemandem ein Glas Wein trinken, der ernsthaft davon überzeugt ist, dass muslimische Männer grundsätzlich und von ihrer Erziehung her frauen- und menschenrechtsverachtendes Gedankengut in sich tragen? Warum sollte ich den- oder diejenige in meinem trauten Heim willkommen heißen, der hungernde und traumatisierte Flüchtlinge lieber im Mittelmeer ersaufen lässt als eine Weile auf sein Hobby Volleyball zu verzichten, weil in seiner heimischen Sporthalle hunderte Syrer campen? So etwas zusammen mit dem Riesling herunterzuschlucken wäre eindeutig falsch verstandene Toleranz.

Natürlich gibt es in der politischen Meinungslandschaft meiner Freunde und Bekannte nicht nur schwarz oder weiß. Aber die Farbe braun gewinnt zunehmend an Gewicht und da verliere ich jegliche Geduld. Aus losen Bekanntschaften mit retro-politischer Gesinnung werden keine Freunde, und aus anti-muslimischen Freunden werden sehr lose Bekanntschaften.  Wenn sich die Gesellschaft in der Flüchtlings-Thematik spaltet, ist das sehr bedauerlich. Ich bin grundsätzlich für eine offene, lösungsorientierte  und menschenfreundliche Auseinandersetzung. Beruflich, aber ganz besonders auch privat ziehe ich inzwischen eine eindeutige Grenze.